Licht an! ... mit Kerzen.

von Livia Sold

Kerzen… welche, wo, warum, wozu?

Wikipedia führt sie in unnachahmlicher Sachlichkeit unter dem Begriff „Brennstoffbetriebene Lichtquelle“. Der Eintrag dort bietet übrigens einen schönen Einblick in die Geschichte, Entwicklung, Herstellung und Funktionsweise von Kerzen. Es lohnt sich, da einmal querzulesen.

Kerzen gibt es an vielen Stellen in der Liturgie. Sie erhellen den Kirchenraum nur wenig oder zu besonderen Anlässen, wenn dieser Effekt bewusst inszeniert wird. Das hier Geschriebene ist ein kleiner Überblick und, ganz Kirchenkram-Stil, ohne Anspruch auf theologische Vollständigkeit.



Was ist die wichtigste Kerze im Kirchenraum?

Kerzen finden sich an vielen Orten im Kirchenraum. Die wichtigste zuerst: Das ewige Licht. Ja, auch wenn sie nicht so sichtbar ist in ihrem Schutzmantel - da steht eine Kerze.

Sie steht dafür, dass Gott immer da ist. Es gibt auch elektrische „ewige Lichter“… manch einen gruselt es wohl bei der Vorstellung daran. „Richtig“ ist es, wenn es wirklich eine Kerze ist und es Menschen gibt, die dafür sorgen, dass immer rechtzeitig eine neue Kerze für die bisherige, bald verlöschende, entzündet wird.

Die Botschaft ist: Gott ist immer da, und ER will uns ein Licht in der Dunkelheit sein. Und es gibt Menschen, die dafür sorgen, dass diese Botschaft Realität wird.

Mein persönliches Gefühl

Das ewige Licht… ich schaue gerne hin und freue mich, dass es da ist. Es ist etwas, was es zum Beispiel in evangelischen Kirchen nicht gibt, eines der Merkmale, an denen man eine katholische Kirche erkennt. Ich mag es ganz gern.

Ich mag die rote Farbe, ich mag es zu wissen, dass es Menschen gibt, die ihre Aufmerksamkeit darauf verwenden, sich um das anhaltende Leuchten in unserer Kirche zu kümmern. Ich mag es, dass das Licht meinen Blick zum Tabernakel lenkt. Ich muss Gott in der Kirche nicht suchen - dieses Licht zeigt mir, wo er „im Allerheiligsten“ am greifbarsten ist. Und so wandert mein Blick immer vom ewigen Licht zum Tabernakel und nimmt meine Gedanken dahin mit. Es betont, dass dieser Raum durch die Anwesenheit Gottes ein besonderer, ein geheiligter Raum ist.

Aber da gibt es doch eine viel größere Kerze und die ist auch noch schön verziert. Ist die nicht viel wichtiger?

Jedes Jahr gibt es eine neue Osterkerze und sie ist ganz bewusst die größte Kerze im Kirchenraum. Nicht nur, weil sie ein ganzes Jahr halten muss, sondern auch, weil sie unmittelbar für Jesus und für seine Anwesenheit in den Gottesdiensten und im Kirchenjahr steht. Das Jahr, für das sie steht, ist meistens auf ihr geschrieben. Zur Gestaltung der Kerze gehören auch die griechischen Buchstaben Alpha und Omega. Sie sind im griechischen Alphabet der erste und der letzte Buchstabe der Buchstabenreihe, stehen für „Anfang“ und „Ende“. Jesus ist vom Anfang bis zum Ende, vom ersten bis zu unserem letzten Tag, immer und überall, buchstäblich eben „von A-Z“ bei uns. Durch das Jahr, durch unser Leben.

Außerdem gibt es oft Wachsnägel, Metallstifte mit einem „Anfasser“ aus Wachs. Sie werden in der Osternacht in die frisch geweihte Kerze gestochen und stehen für Jesu Kreuzigungswunden.

Mein persönliches Gefühl

Eine brennstoffbetriebene Lichtquelle also. Jedes Jahr freue ich mich, wenn in der Osternacht der spannungsvolle Teil des Licht-Werdens stattfindet. Das Anfachen des Osterfeuers. Das Entzünden der Osterkerze an diesem Feuer. Der Weg des Lichts in die dunkle Kirche. Der Ruf „Lumen Christi“ - ein bewegender Moment. Und etwas Besonderes ist für mich auch die symbolhafte Weitergabe des Lichts der Osterkerze durch die Reihen der Anwesenden. Wir geben das Licht weiter. Für mich geschieht dort nicht nur ein Anzünden einer Kerze. Ich halte nicht nur eine brennende Kerze dem anderen hin, ich gebe _mich_ weiter an den, der seine Kerze an meiner entzündet. Wenn er/sie das will. Ich möchte, dass mein Licht, mein Da-Sein, zu Licht in seinem Leben wird. Das biete ich ihm an. Das mache ich tatsächlich bewusst und meine es so in jeder Osternacht.

Ich liebe den Moment, wenn irgendwann das elektrische Licht angeschaltet wird und dieses besondere, nur da zu erlebende Gemurmel, durch die Gemeinde geht, das sagt: „Uff, na endlich. Endlich hell und man sieht wieder was.“ Entspannung. Ich freue mich jedes Mal, wenn das geschieht und weil es jedes Jahr wieder geschieht.

An Weihnachten fehlt die Osterkerze aber?

Die Erinnerung ist noch frisch - ja, in der Adventszeit nimmt bei uns der Adventskranz den Ort der Osterkerze für sich in Anspruch. Er trägt vier Kerzen für die vier Sonntage im Advent und jeden Sonntag kommt eine Kerze dazu. In St. Bonifatius ist eine Kerze besonders… sie ist heller. Jedes Jahr werden wir auf die besondere Bedeutung hingewiesen. Drei violette Kerzen und eine in rosa. Rosa? Ja. Der dritte Adventssonntag heißt „Gaudete“ - „Freut Euch“, und diese Freude auf das Kommende, auf die Geburt von Jesus, die „leuchtet schon durch“. Deshalb ist eine Kerze etwas heller im Farbton. Die dritte. Gut aufpassen beim Anzünden ;-)

Mein persönliches Gefühl

Ich kenne diese Symbolik erst, seit ich in Steinbach bin. Sonst kenne ich nur „einfarbige“ Adventskranzkerzengruppen. Ich mag es, wenn wir sie alle Jahre wieder erklärt bekommen. Es bringt alle zum Lächeln. „Gaudete“ eben, nicht wahr?

Auf dem Altar gibt es auch Kerzen. Wofür sind die da?

Die Kerzen auf dem Altar werden immer angezündet, wenn ein Gottesdienst stattfindet oder eine andere kirchliche Veranstaltung. Bei einem Konzert im Kirchenraum aber würden sie zum Beispiel nicht unbedingt angezündet. Sie sind ein Zeichen der Anbetung. Dafür, dass hier eine heilige Handlung stattfindet. Selten ist es so dunkel im Kirchenraum, dass die Kerzen als Lichtquelle gebraucht würden. Das gibt es auch, aber meistens ist dieses Licht eher wie eine Bühnenbeleuchtung zu verstehen: Schaut hierher, hier ist der Mittelpunkt des Geschehens.

Mein persönliches Gefühl

Die Altarkerzen sind tatsächlich wichtig um zu zeigen: Hier ist der Mittelpunkt des Geschehens. Und: Der Altar ist nicht nur ein Tisch, sondern ein heiliger Ort.

Danke für eine Erinnerung, wenn ich mich doch mal wieder anlehne oder ein Buch oder Liedblatt unachtsam darauf landet…

Das Entzünden der Kerzen geschieht schon vor dem Beginn des Gottesdienstes. Weil ihr Anblick so gewohnt ist, geschieht es mir leicht, sie fast gar nicht mehr wahrzunehmen. Und doch machen sie einen Unterschied, wenn sie angezündet sind. Dann passiert es nämlich nicht so leicht, dass sich jemand anlehnt oder den „Tisch des Brotes“ als willkommene Ablagefläche benutzt. Sie geben dem Ort Würde, Präsenz und Bedeutung.

Was sind das für Kerzen da an der Wand?

In St. Bonifatius sind zwölf Kerzen, die Apostellichter, an der Südwand des Kirchenraums, im Zusammenhang mit den dortigen Kirchenfenstern angebracht. Als die Kirche 2013 geweiht wurde, war ein Teil der liturgischen Handlungen, die Apostelleuchter vor dem erstmaligen Entzünden der Kerzen zu salben, als Zeichen dafür, dass die Apostel die von Jesus Gesalbten sind. Gesalbt zu werden, das war zur Zeit Jesu eine Ehre, die Königen vorbehalten war, als Zeichen für die rechtmäßige Übertragung ihrer Macht. Die Apostellichter stehen für die zwölf Apostel, die ersten und engsten Freunde von Jesus, die er selbst in seine Nachfolge berufen hat und auf die letztlich die christlichen Kirchen zurückgehen.

Mein persönliches Gefühl

Dazu fällt mir nichts ein. Am ehesten noch, dass die Apostellichter in der alten Bonifatiuskirche schöne Kerzenhalter hatten, mit einem Stern als Schale, in der die Kerzen standen. Oder dass ich mich erst durch das Schreiben hier erinnere, dass es auch in der Kirche meiner Kindheit Kerzen an der Wand gab, die irgendwie da waren und angezündet und wieder gelöscht wurden, ohne dass ich dazu irgendeine Verbindung hatte oder verstanden oder mich auch nur gefragt habe, was das wohl für Kerzen sind. Kerzen in der Kirche - nichts Ungewöhnliches. Nichts, was ich beachtet hätte. Apostellichter… kenne ich noch nicht sehr lange.

Darf ich auch mal eine Kerze anzünden?

Na klar. Die Opferlichter unter der Marienfigur sind dafür da, ein Anliegen vor Gott zu bringen oder Maria um ihre Unterstützung dabei zu bitten. Ein anderer Name für diese Kerzen ist auch „Votivkerzen“. In Wallfahrtskirchen oder anderen besonderen Kirchen gibt es teilweise riesige Leuchter voller solcher Kerzen. In St. Bonifatius ist das etwas übersichtlicher. Oft zünden Gottesdienstbesucher vor oder nach dem Gottesdienst eine Kerze an und verbinden damit einen persönlichen Gedanken an einen geliebten Menschen oder ein Gebetsanliegen.

Mein persönliches Gefühl

Ein schöner Brauch. Für jemanden eine Kerze anzuzünden, der vielleicht krank oder in einer schwierigen Situation ist. Oder ein anderes Gebetsanliegen damit zu verbinden. Es schafft Nähe und Verbundenheit und gerade mit Kindern ist es eine schöne Geste zu sagen: „Komm, wir zünden eine Kerze an für XYZ.“

Ich mache es selten, aber wenn, dann sehr bewusst. Ich mag es, wenn ich mir vorstelle, dass diese Kerzen noch brennen, wenn der, der sie angezündet hat, schon wieder mit anderem so beschäftigt ist, dass er an das, was mit der Kerze verbunden ist, schon gar nicht mehr denkt. Weil ständig etwas anderes ist und selbst die schwierigste Lebenssituation oder der Verlust oder die Krankheit eines geliebten Menschen auch etwas ist, an was man gar nicht die ganze Zeit denken kann - und übrigens am besten auch nicht sollte. Die Kerze aber hält das Anliegen lebendig, über den Moment hinaus. Das ist schön.