Der Sonntagsgottesdienst (3)

von Livia Sold

"Sitzen, Stehen, Knien - das sagt etwas aus und hat Bedeutung. Aber gibt es ein System dahinter?"

Wer nicht so oft in die Kirche geht, für den ist es manchmal schwierig, sich im Gottesdienstablauf zurecht zu finden. Es gibt Seiten im Internet, die Tipps geben und sogar Ablaufpläne bereitstellen - hier kann man sich einen , eine Christmette, holen.

Und Pater Matthäus Górkiewicz OFM, der als Priester im Seelsorgeteam der Pfarrei St. Ursula arbeitet, gab uns diesen . Probieren Sie ihn gerne mal aus! In Steinbach geht das jeden Sonntag um 9.30 Uhr in der Kirche St. Bonifatius, Untergasse 27.



Der Gottesdienst im Überblick

Der Gottesdienst folgt einem Spannungsbogen. Schritt für Schritt werden Ereignisse aneinandergereiht, bis zum großen Moment des Geschehens, der Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, um dann in einen ebenfalls wieder schrittweisen Abbau und eine Auflösung der Spannung überzugehen.

Sitzen, Stehen und Knien folgen dem Spannungsbogen. Durch die Haltung im Gottesdienst wird die Bedeutung des aktuellen Geschehens abgebildet.

Es gibt einen einfachen Spannungsbogen über den gesamten Gottesdienst, dessen höchsten Punkt die Eucharistie bildet. Ihn markiert die rote Linie in der Grafik.

Die gelbe Linie geht näher heran an das Geschehen und es zeigt sich, dass der Gottesdienst vier Phasen umfasst: Eröffnung, Wortgottesdienst, Eucharistie und Entlassung.

Jede Phase folgt einem jeweils eigenen, in sich geschlossenen Spannungsbogen.

Phase 1 - Die Eröffnung

Die Phase der Eröffnung folgt einem einfachen Spannungsbogen.

Die im Kirchenraum wartend sitzende Gemeinde erhebt sich und verbringt die gesamte Phase stehend, vom Einzug und der Begrüßung über Kyrie und Gloria bis zum Tagesgebet.

Phase 2 - Der Wortgottesdienst

Der Wortgottesdienst steigert sich über die erste und zweite Lesung zum Evangelium, mit dem feierlichen Halleluja davor und danach. Die Lesungen werden sitzend gehört, zum Halleluja stehen alle auf, weil das Evangelium der wichtigste Bibeltext des Sonntags ist.

Nach dem Evangelium setzen sich alle hin und hören in der Predigt, was das eben Gehörte für uns heute bedeuten kann. Oft ist es interessant, welche Gedanken dabei mitgeteilt werden. Die Predigt versucht, die Worte der Lesungen oder auch des Evangeliums auszulegen, in die heutige Zeit zu aktualisieren, für verschiedene Gläubige (Kinder, Jugendliche, Erwachsene) verständlich zu machen; deshalb gibt es eine Vielfalt an Formen der Auslegung.

Danach schließt sich der Spannungsbogen jedoch nicht gleich, sondern mit dem Glaubenskenntnis folgt zunächst ein weiteres zentrales Element des Gottesdienstes. Wie wichtig es ist, zeigt sich auch daran, dass für das Glaubensbekenntnis wieder alle aufstehen. Die anschließenden Fürbitten bilden den Abschluss des Wortgottesdienstes, an dessen Ende die Gemeinde sich erstmal wieder hinsetzt.

Phase 3 - Die Eucharistie

In der Eucharistie, der dritten Phase des Gottesdienstes, erinnern sich die Christen an das letzte gemeinsame Essen von Jesus und seinen Jüngern, in dem er sie aufforderte, sich immer wieder zu versammeln und Brot und Wein zu teilen.

Während der Gabenbereitung sitzen alle erst noch. Während der Wandlung wechseln sich Abschnitte im Stehen und im Knien ab. Es ist der wichtigste Teil des Gottesdienstes.

Danach stehen alle auf und sprechen gemeinsam das Gebet aller Christen, das Jesus seinen Jüngern direkt beigebracht hat und das seit dem über nun schon ungefähr 2000 Jahre immer weitergegeben wurde. Manchmal geben sich die Anwesenden dabei die Hände. Ebenso wie im Wortgottesdienst schließt sich damit der Spannungsbogen nicht gleich, sondern es folgt ein weiteres zentrales Element des Gottesdienstes: die Kommunionausteilung.

Während der Kommunionausteilung und in der Zeit, in der der Altar wieder abgeräumt wird, ist Zeit für stille persönliche Gebete.

Mit einem Danklied oder Dankgebet schließt die Gemeinde zunächst stehend diese Phase des Gottesdienstes ab, danach setzen sich alle noch einmal für die letzte Phase des Gottesdienstes.

Phase 4 - Die Entlassung

Die Entlassung folgt wieder einem einfachen Spannungsbogen.

Zunächst hören die Anwesenden sitzend zu, wenn Hinweise auf Veranstaltungen in der bevorstehenden Woche oder aktuelle Ereignisse gegeben werden. Dann stehen alle auf für den Segen und das Schlussgebet; meistens wird auch ein Schlusslied gesungen.

Mit dem Auszug des Priesters und der Messdiener endet der Gottesdienst und die meisten Teilnehmer setzen sich noch einmal hin, um zu beten oder das Geschehene einfach nur ausklingen zu lassen. Manchmal spielt die Orgel und viele hören noch zu, bevor auch sie den Gottesdienst für sich abschließen und den Raum verlassen.

Mein persönliches Gefühl mit diesem liturgischen Element

Jedes Zusammentreffen von Menschen folgt dem immer gleichen Muster: Kontaktaufnahme - Kontakt - Kontaktauflösung. Ob wir uns aus der Ferne einen Gruß zurufen oder ein intensives Gespräch führen. So funktionieren wir. Ankommen, Da-Sein, Weggehen. Beginnen, Tun, Abschließen.

Bücher, Filme, Veranstaltungen jeder Art - der Spannungsbogen sorgt dafür, dass ich das, was geschieht, überhaupt verarbeiten kann; er bringt es in eine Reihenfolge, die von Menschen allgemein als sinnvoll und nachvollziehbar empfunden wird.

Bis ich diesen Kirchenkrambeitrag schrieb, wusste ich nicht, was hier steht. Ich fragte mich einfach: Sitzen, Stehen, Knien - wo ist das System? Ich freue mich sehr, hier etwas gefunden zu haben, was für mich "funktioniert". Jetzt habe ich wieder einen neuen Blick auf den Sonntagsgottesdienst.

Auch das ist für mich etwas, was Kirche und Liturgie interessant macht - dass ich noch nach Jahrzehnten des Erlebens immer gleicher Handlungen und wo ich eigentlich denke: "Kenne ich, ist immer das Gleiche.", immer wieder Neues entdecken kann.