Licht an! ... durch´s Kirchenfenster.

von Livia Sold und Harald Schwalbe

In jedem Raum spielt Licht eine große Rolle.

Licht trifft von außen in einen Kirchenraum. Im Raum verteilt sich das Licht. Wie es sich verteilt, löst Aufmerksamkeit aus. Wo Dunkelheit Rückzugsräume schafft, ist Teil des Lichteindrucks. Licht ist symbolträchtig und kommt in vielen Formen und liturgischen Bezügen vor. Bezeichnungen wie „Christus, das Licht der Welt“ oder dass „Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht.“ - das macht deutlich, welche Bedeutung Licht im religiösen Kontext hat. 

Dass ein Kirchenraum so hell ist, wie bei uns in St. Bonifatius, das ist nicht selbstverständlich. Einen Kirchenraum verbinden viele Menschen mit eher gedämpftem Licht, vielleicht sogar Düsternis. Aber selbst in den Kirchen, in denen teilweise auch einfach aus baulichen Gründen die Fensterfläche begrenzt war, haben sich die am Bau Beteiligten intensiv mit dem Thema Licht auseinandergesetzt.

Wir möchten unseren Blick darauf richten, wie wir Licht im Kontext von Liturgie und Glauben im Kirchenraum erleben. Im ersten Schritt soll es dabei um Kirchenfenster gehen.



Kirchenfenster - warum sind sie wichtig?

Fenster sind ja nur eine von vielen Möglichkeiten, wie ein Kirchenraum hell wird, denn viele Lichtquellen wie Kerzen, Leuchter, Lampen, Lichtinstallationen sorgen für Licht. Dass Licht hereingelassen wird, ist also nur eine Funktion von Kirchenfenstern, denn den Raum hell zu machen, das ginge ja auch anders.

In normalen Gebäuden geht es bei Fenstern neben dem Hereinlassen von Licht auch um eine Sichtbeziehung nach außen. Bei Kirchenfenstern geht es selten um das Hinausschauen. Hier stehen der Kontrast aus Öffnung und Geschlossenheit, der Lichteinfall, die Gliederung des Raums und oft auch eine künstlerische Gestaltung im Vordergrund.

Wände umschließen den Kirchenraum. Sie sorgen dafür, dass ein Rückzugsraum entsteht, eine Trennung zwischen innen und außen. Das ist wichtig, denn die Kirche ist ein Ort für die Begegnung mit Gott, und manchmal braucht es diesen „Schritt raus aus der Welt“, um diese Begegnung zu ermöglichen.

Fenster sind Verbindung zum Außen. Sie lassen Licht hinein, aber auch heraus. Ein erleuchtetes Fenster in einem Wohnhaus sagt: Hier sind Menschen, die ihr Leben leben. Ein erleuchtetes Kirchenfenster sagt: Hier sind Menschen, die ihr Leben mit Gott leben. In diesem Moment - und hoffentlich darüber hinaus. (LS)

Mein persönliches Gefühl

Ich begegne Gott in meinen Begegnungen mit anderen Menschen. Aber ich brauche auch Rückzug, Stille, raus aus dem Kontakt gehen zu können, denn irgendwann wird es mir auch zuviel mit dem ganzen Kontakt. Ich brauche beides.

Livia: Ich gehe eher nicht in die Kirche, um allein zu sein oder Gott zu begegnen. Selten habe ich das gemacht, es ist eher nicht so mein Ding. Zumindest im Moment nicht. Mir reicht das Wissen, dass ich es könnte, dass ich diesen Ort dafür hätte oder haben könnte.

Ich gehe lieber in die Kirche, wenn ich weiß, dass andere auch da sind. Das war für mich schon immer so, für mich ist die Kirche ein Treffpunkt, ein Ort der Begegnung. Dabei ist es mir wichtig, dass dieser Ort ein heller Ort ist oder zumindest, dass ich dort ein gutes Raumgefühl habe, und dazu ist es mir ganz wesentlich, dass Licht und Raum gut miteinander verbunden sind.

Harald: Ich gehe sehr gerne allein in die Kirche, um Stille werden zu lassen in mir. Um in eine Kontemplation zu kommen. Auch wenn ich die Augen dabei schließe, spüre ich das Licht, die Wärme, die Stimmung im Raum. Der äußere Raum schließt meinen inneren Raum auf.

Gibt es Regeln dafür, wie Kirchenfenster aussehen müssen?

Kirchenfenster sind immer Ausdruck dessen, was zur Entstehungszeit bautechnisch möglich war, und dem Zeitgeist zur Bauzeit der Kirche oder des Gebäudeteils, in dem sie sich befinden, entsprach.

Ist eine Kirche über einen längeren Zeitraum hinweg gebaut oder erweitert worden, sieht man das den Bauteilen und damit eben auch den Fenstern oft an, dass sie in unterschiedlichen Zeitabschnitten entstanden sind.

Sehr alte Kirchen haben eher kleine, einfach verglaste Fenster - das war eben so und das ging da auch nicht anders. Später wurden die Fenster größer und zum Teil zum Schmuck für den Kirchenraum. Es gibt Formen und Lichtinszenierungen, die sich als typisch für eine bestimmte Zeit benennen lassen. In der Gotik entstehen die großen Kirchenfenster. Die gotischen Kirchen wollen in der Kirche das himmlische Jerusalem auf Erden Gestalt werden lassen. Dazu gehört die durchbrochene Wand, die Licht in der Kirche, Gottes Licht, möglich macht.

Heute gibt es Häuser (und auch Kirchen), die komplett verglast sind und den Eindruck erwecken, sie wären ganz aus Glas gebaut. Liturgische Regeln gibt es nicht, aber es gibt Vorstellungen davon, wie etwas gut ist. Die ändern sich allerdings auf dem Weg der Menschen durch die Zeit. (LS)

Mein persönliches Gefühl

Livia: Ich erinnere mich noch gut an eine Kirche, in der ich einmal war, die innen sehr dunkel ist, aber über dem Eingangsportal eine Fensterrosette hat. Ich war in die Kirche gegangen und als ich mich umdrehte, um zurückzublicken, sah ich dieses Fenster in leuchtendem Blau - so etwas hatte ich vorher noch nie gesehen. Eindrucksvoll und unvergesslich.

Heute weiß ich, dass das nicht die erste und nicht die einzige Kirche ist, die genau diese Art und Positionierung eines Kirchenfensters hat. Trotzdem. Ich kann diesen Moment immer wieder in meinem Gedächtnis abrufen und bin jedesmal aufs Neue berührt und beeindruckt von dieser Farbenkraft und der Schönheit dieser Inszenierung von Licht im Kirchenraum.

Harald: Ich mag romanische, ich mag gotische, ich mag Barock- und Rokokkokirchen. Alle haben ihre eigene Wirkung und Licht spielt immer eine Rolle. Wie Menschen zu verschiedenen Zeiten dies gestaltet haben, ist so sehr faszinierend.

Kirchenfenster sind manchmal künstlerisch gestaltet - warum wird das gemacht?

Über viele Jahrhunderte entstanden großartige Kunstwerke als Kirchenfenster und auch heute wird diese Form des Ausdrucks von Spiritualität bewusst eingesetzt. Künstlerisch gestaltete Kirchenfenster zeigen die religiösen und gesellschaftlichen Themen der Entstehungszeit und nicht zuletzt die wirtschaftliche Situation der Bauherren.

Einfallendes Licht bringt farbiges Glas zum Leuchten - ganze Kirchen sind bewusst auf diese Weise gestaltet und kommen so ohne größeren sonstigen Schmuck aus. Heiligenbilder, biblische Szenen oder eine graphische Gestaltung - der Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt. Als die Gottesdienste noch in lateinischer Sprache gehalten wurden und viele Christen weder eine Bibel besaßen noch lesen konnten, da waren Bilder in der Kirche sehr wichtig, um die biblischen Geschichten zu erzählen oder an wichtige Vorbilder im Christsein zu erinnern. Als Wandmalereien, Gemälde, Figuren - und auch als Kirchenfenster. Sicher damals wie heute sehr eindrucksvoll. (LS)

Mein persönliches Gefühl

Livia: Wenn Kirchenfenster eine Geschichte erzählen - mir gefällt das. Ich kann lange hinschauen und mich daran freuen, wenn direktes Sonnenlicht die Farbigkeit eines Kirchenfensters lebendig macht und das Motiv erstrahlen lässt. Ich stelle mir dann vor, wie der Architekt oder Künstler sich genau diesen Effekt vorgestellt und ihn gewollt hat und freue mich, dass auf diese Weise immer wieder Wirklichkeit wird, was jemand, der heute schon längst gestorben ist, einmal gedacht, gefühlt und gehofft hat.

Und ich bewundere die Kunstfertigkeit der Menschen, die diese Fenster, wohl oft auch unter großen Mühen, hergestellt haben. Was allein in den Kirchen unserer Pfarrei dazu zu entdecken ist, das lohnt einen genaueren Blick.

Harald: Ich brauche nicht unbedingt eine Geschichte. Mir reicht schon, wenn das Kirchenfenster wie ein Kaleidoskop die Farben des Lichts bricht und ein Blau, ein Rot, ein Grün im Raum entstehen.

Und wie ist das mit den Kirchenfenstern in Steinbach?
(Die alte Kirche St. Bonifatius.)

Die alte Kirche St. Bonifatius, die bis 2013 in unserer Ortsmitte stand, war geprägt von einem, den ganzen Giebel des Altarraums ausfüllenden „Fenster“. Eine ganze Wand aus farbigem Glas, die dem Raum eine besondere Atmosphäre gab.

Leider waren die Schäden an dem Fenster wie auch am ganzen Gebäude so groß, dass eine Sanierung wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen wäre. Beim Abtragen des Gebäudes wurden einige Fensterteile gesichert. Sie haben einen Platz im Gemeindesaal erhalten und erinnern an die alte Kirche St. Bonifatius. (LS)

Mein persönliches Gefühl

Livia: Ich habe nur ein paar Jahre mit der alten Kirche St. Bonifatius verbracht und deshalb keine besonders tiefe Bindung an dieses Gebäude. Trotzdem fand ich es eindrucksvoll. Der hohe Raum, die Kirche als Zeit, und auch das große „Glasfenster“. Oft habe ich die Glasfläche angeschaut und überlegt, was ich darin wohl so sehen kann.

Ich bedaure, dass die alte Kirche nicht mehr da ist, aber es überwiegt die Freude über unsere schönen neuen Räume, die so viel Gemeindeleben ermöglichen und es uns so angenehm machen. Die Idee, Teile des großen Glasfensters mit in das neue Gebäude zu nehmen, finde ich gut. Und wenn die mobile Trennwand geöffnet ist, für Gottesdienste mit vielen Besuchern, dann sind sie auch wieder Teil eines Kirchenraums. Mir gefällt das.

Harald: Ich war seit meiner Kommunion immer wieder in der alten Kirche. Meist deutlich früher als der Gottesdienst begann. Dort habe ich immer das Zelt, das Glasfenster angeschaut.

Und wie ist das mit den Kirchenfenstern in Steinbach?
(Die neue Kirche St. Bonifatius.)

In der neuen Kirche St. Bonifatius findet sich eine sehr zeitgenössische Interpretation künstlerischer Fenstergestaltung. Auf den Fensterflächen in der südlichen Wand sowie an der Tür zwischen Foyer und Kirchenraum tragen die Glasflächen den Text des Bonifatius-Liedes, das von unserem 2013 verstorbenen Gemeindemitglied Dr. Karl Asemann geschrieben wurde. So bekommt der Kirchenraum einen weiteren Gemeindebezug.

Der Altarraum wird in vielen Kirchen zusätzlich beleuchtet, oft durch Fenster in der Nähe des Altars oder durch ein Oberlicht. In St. Bonifatius gibt es ein über die ganze Breite der Altarraumrückwand gezogenes Oberlicht, es ist eher ein Lichtschacht, denn die Deckenhöhe im Kirchenraum ist tiefer, so dass der Lichteinfall gar nicht so bewusst wahrgenommen wird. Aber er wirkt - und die Altarraumrückwand trägt zur Wirkung bei, indem sie eine leicht „wolkige“ Oberflächengestaltung hat. Der Himmel leuchtet uns entgegen, wenn wir zum Altar schauen. (LS)

Mein persönliches Gefühl

Livia: Die Kirchenfenster mit dem Liedtext des Bonifatiusliedes zu gestalten - warum nicht. Im Prinzip finde ich das gut. Dass der Text mittendrin endet, weil der Platz „voll ist“, das finde ich sehr seltsam. Naja, ich lese einfach nicht. Oder nur ganz selten und dann bewusst nicht bis dahin, wo der Text abbricht. Es ist ohnehin offenbar eher nicht zum Lesen gedacht, zumindest finde ich es sehr anstrengend, wenn ich es einmal wieder versuche.

Viel lieber schaue ich mir an, wie das Licht hindurch fällt und solche Effekte erzeugt, wie sie hier im Bild eingefangen sind. Worte und Buchstaben an sich finde ich sehr schön und _das_ gefällt mir dann auch wieder.